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Archiv-Seiten des Kreisverbandes Wolfenbüttel

 

Bündis90/DIE GRÜNEN
 

Rücksichtslose Ausbeutung von Menschen als Produktionsfaktoren

2012-04-23

Trotz vieler Versuche ist es nicht gelungen, das KZ-Schandelah zu vergessen und zu verdrängen

Von Stephan Querfurth

SCHANDELAH. Es müsse durchaus schon die Frage gestellt werden, sagte Jürgen Kumlehn, warum erst 30 Jahre nach Beginn der Erinnerungskultur und nahezu 70 Jahre nach Auflösung des KZ’s Schandelah erst jetzt die erste Informationsveranstaltungen in Schandelah stattfände.

Bei der gut besuchten Informationsveranstaltung anlässlich 30 Jahre Gedenken an das KZ Schandelah in der Grundschule des Ortes wurde gefragt, warum es überhaupt dieses Lager gab, wie die Arbeits- und Lebensbedingungen dort aussahen und was Spurensuche in den 80er Jahren auslöste und bewirkte.

Unmenschliche Lebens- und Arbeitsbedingungen hätten damals im Konzentrationslager Schandelah-Wohld geherrscht. Das berichtete Klaus Thiele von den Grünen in Cremlingen. Er berief sich dabei auf Aussagen, die während eines Kriegsverbrecherprozesses 1947 in Braunschweig vor einem britischen Militärgericht gemacht wurden.

In der Zeit des Bestehens des Lagers vom 8. Mai 1944 bis zu seiner Auflösung am12. April 1945 lebten hier konstant etwa 800 Häftlinge. In den letzten Wochen des Bestehens des Lagers waren bis zu 1.300 Menschen dort untergebracht. Die Verpflegung war miserabel, in den überbelegten drei Baracken mussten sich manchmal vier Männer ein Bett teilen. Selbst im Winter wurde nicht geheizt, die Kleidung war zerschlissen, Unterwäsche durfte nach einem halben Jahr gewechselt werden. Thiele verwies darauf, dass der Bevölkerung Schandelahs und der umliegenden Ortschaften das Lager und auch die Lebensbedingungen durchaus bekannt gewesen seien. „Schandelah war Umschlagplatz für alles Mögliche. Die Straße nach Scheppau führte durch das Lager. Man konnte dort also viel wahrnehmen.“

Häftlinge vorwiegend aus der Sowjetunion, Polen, Belgien und Frankreich lebten in diesem Konzentrationslager und mussten dort härteste Arbeit Leisten. Aber auch Menschen aus den Niederlanden, Dänemark, Spanien, Italien und Deutschland waren in den drei Häftlingsbaracken zusammengepfercht, erläuterte der Erziehungswissenschaftler Diethelm Kraus-Hotopp von der TU Braunschweig.

Ohne technische Hilfsmittel mussten die Männer Ölschiefer abbauen. Daraus sollte dann synthetisches Benzin gewonnen werden. Im Jahre 1943 wurde die Steinöl GmbH gegründet, deren Verantwortliche zusammen mit leitenden SS-Männern die Häftlinge rücksichtslos ausgebeutet hätten und sie nicht als Menschen, sondern als Produktionsfaktoren gewertet hätten. Viele der Häftlinge waren auch zum Bau eines Gleisbettes eingesetzt. Auch hier wurde ohne technisches Gerät gearbeitet. Die Todesrate unter den Häftlingen war auf Grund der strapaziösen Arbeitsbedingungen und des auszehrenden Lebens sehr groß. Die Willkür der SS, Herren über Leben und Tod zu sein forderte, ebenfalls viele Opfer. Die Medizinische Versorgung sei mehr als unzureichend gewesen.

Aber auch lange Zeit später tat man sich schwer mit dem Umgang des Gedenkens. Darüber berichtete ausführlich der Wolfenbütteler Jürgen Kumlehn, der seinerzeit maßgeblich gegen massive Vorurteile und heftige Widerstände von Ortsräten, Parteien, Kirchenvorstand und Kreisverwaltung einen Gedenkort angeregt hatte. Als 1982 ein Gedenkkreuz errichtet wurde, ließ es das Straßenbauamt Wolfenbüttel entfernen. Erst später beteiligte sich der Landkreis an der Errichtung einer Gedenkstätte, die 1985 der Öffentlichkeit übergeben wurde. Seither fände eine aktive Gedenkkultur statt, die breite Unterstützung finde. Wie könne so ein Lager über Jahrzehnte in Vergessenheit geraten, wie könne ein so einschneidendes Ereignis jahrzehntelang aus der Geschichte eines Dorfes herausfallen, fragte Kumlehn. Er wisse auch nicht, gab er zu, ob er jemals eine Antwort darauf finden werde.

Jürgen Kumlehn, Diethelm Krause-Hotopp und Klaus Thiele

Sie informierten über die Geschichte des KZ-Schandelah, über Spurensuche und Gedenkkultur: (v.l.n.r.) Jürgen Kumlehn, Diethelm Krause-Hotopp und Klaus Thiele.
Foto: Stephan Querfurth

 

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